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Kindergesundheit Kurzsichtige Kinder: Jedes Jahr werden es mehr

Kleines Mädchen spielt mit Smartphone
© gilaxia / iStock
Die Zahl der kurzsichtigen Kinder und Jugendlichen steigt weltweit. Und Augenärzte wissen heute: Kurzsichtigkeit liegt nicht nur in den Genen, sie wird auch erworben. Und zwar in der Kindheit. Woran das liegt und wie einfach Eltern ihr Kind schützen können, erklärt hier ein Forscher.

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Kurzsichtigkeit wird in immer mehr Ländern zur Epidemie: In einigen ostasiatischen Ländern, Südkorea zum Beispiel, sind inzwischen 90 Prozent der jungen Erwachsenen betroffen. Auch bei uns steigt die Zahl der kurzsichtigen Kinder und Jugendlichen, wenn auch nicht so dramatisch. Was können Eltern tun, um ihr Kind davor zu schützen? Das haben wir Professor Dr. Alireza Mirshahi gefragt, er ist Direktor der Augenklinik Dardenne in Bonn und hat sich an der Uni Mainz schwerpunktmäßig mit der Erforschung der erworbenen Kurzsichtigkeit befasst.

Was passiert im Auge, wenn es kurzsichtig wird?

Fast alle Kinder kommen etwas weitsichtig auf die Welt, das heißt, der Augapfel ist etwas zu kurz. Mit dem normalen Wachstum in der Kindheit wächst auch der Augapfel in die Länge. Normalerweise stoppt das Wachstum, wenn das Auge in der Ferne perfekt sieht, etwa in der Pubertät. Bei Kurzsichtigen hört das Auge aber nicht auf zu wachsen.

Wieso betrifft das jetzt immer mehr Kinder?

Noch bis vor Kurzem dachte man, dass Kurzsichtigkeit im Wesentlichen erblich ist. Aber das stimmt nicht: Der wichtigste Risikofaktor ist häufige Naharbeit, also zum Beispiel Lesen, Lernen, Bildschirmarbeit, Aufs-Smartphone-Starren.

Was passiert im Auge, wenn man in die Nähe schaut?

Das Auge muss sich ständig auf die Nähe einstellen, das nennt man „akkommodieren“. Die andauernde Akkommodation löst offenbar einen Wachstumsreiz auf den Augapfel aus. Er wächst in die Länge, das Auge wird dadurch kurzsichtiger.

Dann stimmt der alte Spruch „Lesen verdirbt die Augen“ also doch?

Ja. Man könnte auch sagen: Bildung macht kurzsichtig. Unsere Zahlen aus der Gutenberg-Studie der Uni Mainz* zeigen das deutlich: Von den Menschen ohne höhere Schulbildung waren nur 24 Prozent kurzsichtig, bei den Menschen mit Abitur oder abgeschlossener Berufsausbildung waren es 35 Prozent, und unter den Hochschulabsolventen waren über die Hälfte kurzsichtig, nämlich 53 Prozent.

Wann genau verändern sich die Augen so?

Die kritische Zeit liegt etwa zwischen dem Schuleintritt und dem 16. Lebensjahr. Aber auch bis zum Alter von 30 Jahren kann das Auge noch kurzsichtiger werden.

Wissen Sie schon, welche Rolle das Smartphone dabei spielt?

Kinder und Jugendliche sehen im Smartphone- Zeitalter viel häufiger und länger in die Nähe als früher. Und Nahsehen verstärkt die Entwicklung der Kurzsichtigkeit. Daher erwarte ich eine Zunahme der Kurzsichtigkeit in der kommenden Generation.

Gibt es noch andere Risikofaktoren?

Offenbar werden diejenigen Kinder eher kurzsichtig, die weniger Tageslicht bekommen als andere. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass es gar nicht wirklich um das Licht geht, sondern darum, dass man draußen einfach mehr in die Ferne schaut. Wenn es am Licht läge, dann müssten die Menschen, die in nördlicheren Breiten leben, im Schnitt kurzsichtiger sein als die im Süden. Und das ist nicht so.

Aber immerhin kann man Kurzsichtigkeit ja mit einer Brille ausgleichen oder lasern lassen.

Ja, schon. Aber mit Zunahme der Kurzsichtigkeit, insbesondere ab ungefähr minus neun Dioptrien, steigt auch das Risiko für andere Augenerkrankungen, zum Beispiel dem Grünen Star und dem verfrühten Grauen Star, Makula-Degeneration und Netzhautablösung. Für den Einzelnen ist das Risiko zwar nicht so groß, aber wenn es zukünftig immer mehr stark kurzsichtige Erwachsene gibt, dann spielen die Kosten auch eine volkswirtschaftliche Rolle.

Wie können Eltern vorbeugen?

Indem sie ihre Kinder jeden Tag raus an die Luft schicken. Wir wissen aus Studien, dass schon 45 Minuten täglich an der frischen Luft der Kurzsichtigkeit wirksam vorbeugen – natürlich nur, wenn die Kinder in dieser Zeit nicht auf ihr Smartphone starren. Ideal ist regelmäßiger Sport im Freien, Fußball zum Beispiel.

Aber ganz ohne Buch und Bildschirm geht es ja auch nicht. Wie viele Stunden am Tag sind okay?

Dazu gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse. Auf jeden Fall aber gilt: je weniger, desto besser. Eltern sollten ihr Kind außerdem anleiten, das Buch nicht zu nah vor die Augen zu halten: Der Abstand vom Auge zum Buch sollte mindestens  30 cm betragen und zum Bildschirm 50 cm.
 
* Bei der Gutenberg-Gesundheitsstudie der Universitätsmedizin Mainz wurden rund 15.000 Teilnehmer eingehend untersucht, um die Risiko-Vorhersage des Einzelnen für bestimmte Krankheiten zu verbessern.
 

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